Wie sehr sie auf der Kippe stehen und halber als junger Versuch einer Garteniriskreation auf dem Weg zur Vollendung zu verstehen sind, sieht man einigen liebenswerten Sorten von Goos & Koenemann an, wenn sie ihre unsteten Eigenheiten zeigen. Gerade bei den letzten Blüten erlauben sie sich Nachlässigkeit und Phantasie: Abdrücke der genetzen Zeichnung, die vom Hängeblatt in den Dom wandern oder Farbaufspaltungen, klaffende, zurückgebogene Domblätter wie bei einer Iris ensata, unsortierte Anzahl von Hänge- und Domblättern. Manche sind sich mit sich selbst uneins, ob sie zu den eliator oder den intermedia zählen möchten, werden mittelhoch und je nach Laune und Jahresform auch höher.
Mich stört es gar nicht. Ich finde es spannend, was sich die lebenden Zeitdokumente der Gartengeschichte alles einfallen lassen, um mich zu amüsieren, wenn es nicht zu einer regelmäßigen Verstümmelung der Blüten führt und solange die Blüten sehr zahlreich erscheinen. Folkwang hat es im ersten Standjahr etwas übertrieben und bei den letzten beiden Blüten einen einblättrigen, gescheckten Dom verbrochen. Das üben wir noch. Erst später fällt mir anhand des Fotos auf, dass sie die fehlenden Domblätter in weinrosa Hängeblätter umgewandelt hat. Sehr originell, die süße Himbeere! Amis finden das so eigenartig und bemerkenswert, dass sie für die offenen, flach ausgebreiteten MTB-Iris den Spitznamen „Flatties“ erfunden haben, wobei die Besonderheit eines unregelmäßig auseinanderfallenden, instabilen, fahrigen Doms eher unerwünscht ist, jedenfalls bei modernen Prachtexemplaren der A-Klasse. Neue Retros mit Farbaufspaltung werden als reizvolle Unikate gepriesen (z.B. Bach Fugue). Falls ich mal viiiel Zeit habe, kreuze ich ich meine unordentlichsten Histörchen mit neueren, fetteren Sorte und schaue, was herauskommt. Im Jahr 2063 oder 2076, oder so.
Historische Iris – nicht alle, einige sind nur kleinblütig und trotzdem steif – bringen so viel natürlichen Charme, Lebhaftigkeit, Leichtigkeit und guten Willen mit, dass ich ihre Einfälle in jedem Fall interessiert toleriere. Außerdem sind sie genetzt und schlanke, frivole Damen in Netzstrümpfen, die in lockeren, bunten Schwärmen Can Can tanzen, üben auf mich einen unwiderstehlichen Reiz aus – im Garten 😉
Gracchus und die unbekannte, bläuliche, klare Iris neglecta-Hybride vom letzten Jahr haben es mir alleine wegen ihrer feinen, kontrastreichen Zeichnung der Unterlippe angetan. Wenn man bedenkt, dass Gracchus um 1930 von Irisspezialisten als gartenunwürdig gebannt wurde – ts ts ts! Er mag als diploide Iris zumindest in den ersten Standjahren seiner Gartenkarriere recht schmalbrüstig und schwach sein, dafür aber ist er einzigartig. Ein Kleinod für die Gärten von Grafikern, Architekten, Künstlern, Kupferstechern, so es nach Jahrzehnten der grassierenden Kulturverachtung im Allgemeinen und der andauernden Unterbezahlung im Besonderen noch welche geben sollte. Man müsste die verbliebenen anpflanzen, beachten, füttern, hegen und pflegen und hüten wie andere Schätze auch. art but fair.
‚Gracchus‘ had been entered on his version of the Black List. There were several of these ‚Black Lists‘, even an official list published by The American Iris Society in 1928, which was headed “ the following varieties of Tall Bearded Irises are considered as unworthy of further propagation. All members should refrain from assisting in their dissemination whether by purchase, by sale, by exchange, or by gift“.
Thank God a few took no notice otherwise this stand out Iris would not be around today. „ (Quelle: Heritage Irises)