Lokale Unterschiede von 10°C innerhalb Deutschlands. Ein komischer Hochsommer. Der blaue Himmel wirkt durchscheinend glasig ultramarin und der Herbst lässt sich ahnen.
Am Samstag ist es warm und wir fahren in den wilden Garten. Der heftige Regen hat die Dahlien zu Boden gedrückt, eine sogar bis zur Knolle abgebrochen. Ohne Stielansatz ist die Knolle wertlos. Von den 4 Balldahlien, die die Schnecken am Ende von Dutzenden verschonten, sind jetzt noch sage und schreibe 2 übrig.
Das Brachebeet ist abgeblüht und sieht unschön aus. Zwischen den Taglilien schießt Löwenzahn und Ackerschachtelhalm hervor. Die lästige Goldnessel schiebt sich wieder in die hinteren Beete. Die Hostablätter sind durchlöchert und zerfressen. Am liebsten würde ich auf dem Absatz kehrt machen und den Samstag anders verbringen. Ich hole die Heckenschere und kürze großzügig verblühten Phlox und Ringelblumen. Schnipp schnapp.
Blumenstrauß Nr. 1 - um die roten Gladiolen loszuwerden
'Cido', Japanische Zitronenquitte
Zwei Blumensträuße, Cido, Himbeeren und Brombeeren werden geerntet. Wenigstens Gladiolen sind zum Schneiden für mich da, sonst wäre es im Garten nur langweilig und arbeitsreich. Die gemischten sind erfreulicherweise nicht gemischt, sondern alle in einem edlen, dunklen Purpurton; dafür entsprechen die ausgesuchten Sorten nicht der Beschreibung. Keine einzige der 80 versenkten Zwiebeln, von denen längst nicht alle getrieben haben, ähnelt einer der 7 ausgesuchten Sorten. Rote, feuerrote, dunkler als die Billigschnittblumen – die mag ich nicht – sind darunter und die weiß-rosa Prunkrüsche, die sich bislang als diejenige zeigte, die man nicht ausgraben muss und die jedes Jahr wiederkommt.
Um die neuen, purpurvioletten tät’s mir leid, wenn sie erfrieren würden. Sie würden gut in den Stadtgarten passen. Vielleicht denke ich ja rechtzeitig daran, die Zwiebeln mit ins warme Haus zu nehmen.
Als letzte Taglilie blüht Wisest of Wizards. Sie ist blass lachsrosa und weiß auch in diesem Jahr nicht, wie sie eine Blüte korrekt hinbekommen soll. Ich bin mir nicht sicher, ob ich Taglilien sammeln als Hobby noch lange weiterkultivieren möchte. Im wilden Garten brauche ich Schnittblumen – was sollte mich sonst dort hinziehen? Die anstrengende Sklavenarbeit bestimmt nicht.
Ich muss mir etwas einfallen lassen, wie ich den Garten in den Griff bekomme ohne jedes Wochenende dort arbeiten zu müssen. Mehr Bäume. Die Mährische Eberesche könnten wir in den Garten bringen und evt. einen Apfelbaum. Die wilden Walderdbeeren, die ich zuerst als Bodendecker ganz niedlich und ordentlich fand, wuchern und erobern ein Beet nach dem anderen. Von den vielen verschiedenen, gesäten Sommerblumen hat eine einzige magere Aster überlebt. Traurig. Los werden möchte ich den allseits begehrten Garten nicht, aber ich möchte mir auch nicht meine Freizeitplanung von ihm diktieren lassen. Ich würde lieber in die Eifel fahren und Pilze suchen, als den ewigen Kampf gegen das Unkraut fortzuführen.
Außerdem brauche ich doch eine Sense, auch wenn Kermit sie mir seit 7 Jahren jedes Mal ausredet, wenn ich im Handwerkermarkt vor einer stehe. Die wüstesten Stellen sähen kurz gehalten gleich so viel ordentlicher aus und die Nachbarn bekämen nicht den Eindruck, ich hätte keine Lust mehr und für ihre lieben Bekannten würde in Kürze ein Stück Bioacker frei. Ich würde es ja zur Not so handhaben wie unsere anderen Nachbarn S., die einen Russen oder Ukrainer ihre Beete umgraben lassen, die übrigens seitdem immer breiter werden. Der Weg entlang meiner Staudenrabatten ist kaum mehr vorhanden und man bricht sich beinah die Hacksen, wenn man in die tiefe Abstichrinne rutscht. Das Problem sind meine Stauden. Da ist nicht viel umzugraben wie bei einem Gemüsebeet; alles wuselige Handarbeit, nichts für stundenweise bezahlte Grobmotoriker …
Blumenstrauß Nr. 2 - Gladiolen, Dahlien, Wermut, Gräser, Herbstanemonen
Drahtige Verbena bonariensis blühen und auf dem Stück des wohlhabenden Lehrerehepaars steht eine ungewöhnliche, großblütige Dahlie mit goldgelben Butterstreuseln, die wie eine chinesische Chrysantheme aussieht. Wieso haben die Schnecken diese verschont und meine fast alle aufgefressen?
Herr B. kommt in den Garten und wir halten einen Schwatz. Als er geht, bringt er uns ein Schälchen mit Tomaten aus seinem Gewächshaus, das er gerade vergrößert.
Ich bedanke mich herzlich. Zuhause probiere ich die Tomaten – und bin erstaunt, dass sie viel fader schmecken als meine Kübeltomaten. Und viel süßer sind sie auch nicht. Zuviel Wasser, schlechte Sorte, falsche Düngung, trotz Gewächshaus zuwenig Wärme/Sonne?
Wieder was gelernt. Ein Glashaus scheint nicht die allein seligmachende Lösung für wohlschmeckende Tomaten zu sein … naja, Tomaten im Kübel – und wohl auch im Glashaus, auf dem gleichen Boden wie im Jahr zuvor – passend zu düngen, ist eine Wissenschaft für sich. Das gilt besonders für mittel- bis großfrüchtige Sorten. Das Nicht-Geschmackserlebnis ermutigt mich, es evt. im nächsten Jahr in der Stadt nochmals mit Kübeln und dem Wasser saufenden Delikatessgemüse zu probieren. Mit einem Kübel und Cocktailtomaten!
Als wir nach Hause fahren habe ich den halben Garten in Form von Blumen im Arm – und meine Laune hat sich gebessert.
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